Die Freiheit der Gleichgültigen

Diese Gleichgültigkeit, diese unausgesprochene. Wie herrlich! Alles um uns scheint uns nicht zu stören. Keiner sagt etwas. Wir schweigen wie ein Grab. Wir wollen uns blos nicht stören, ja keine Aufmerksamkeit erregen oder gar etwas vom Gegenüber fordern. Nein, wir schweigen, wir schweigen uns an! Endlos. Gleichgültig bleiben, ohne Emotion. Niemals Gefühle zeigen! Das haben wir gelernt. Wir waren gute Schüler. Wer Gefühle zeigt ist schwach, hat sich selbst nicht unter Kontrolle und ist dem Gegenüber auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Auch dann, wenn das Gegenüber gar nicht hinhört, oder nichts erwidert. Man hat sich trotzdem ausgeliefert. Dann doch lieber diese Gleichgültigkeit, dieses allgemeine darüber Hinwegsehen und Verschweigen. Wir verstecken unsere Wunden, ja niemals bluten und nach Hilfe schreien. Es wird schon vergehen, von allein, ohne Mithilfe, ohne Antwort. Wie es gekommen ist, so wird es auch wieder gehen. Schweigend! Jedem unserer Sätze obliegt der Grundgedanke der Vorsicht. Denn Vorsicht ist besser als Nachsicht! Wir kalkulieren das Risiko. Ja keine Fehler machen! Wir wissen was sich gehört. Denn Fehler sind unschick. Fehler macht man nicht. Fehler sind obsolet. Wer Fehler macht hat nichts begriffen. Wir glauben an das Fehlerlose. Und dank unserer Gleichgültigkeit machen wir keine Fehler. Wir tasten ab, wir wiegen ab, wir schätzen ein. Immer korrekt. Wir bedenken stets. Affekthandlungen sind uns völlig unbekannt. Das Persönliche bleibt im Geheimen. Das gehört sich so. Wir lassen uns nichts anmerken. Wir verstecken unsere Wut, unseren Zorn, unser Leiden. Wir unterdrücken. Uns. Wir haben sowieso nie gelernt damit richtig umzugehen. Daher ignorieren wir uns selber. Wer sich nicht spürt, nichts bemerkt, braucht sich auch nicht darum kümmern. Niemand kämpft mehr mit sich selbst. Wir haben die Waffen gestreckt. Der innere Frieden ist hergestellt. Unsere Emotionen unterliegen einer strikten Überwachung und rigoroser Selbstkontrolle. Jegliche innere Regung wird sofort durch unsere Gleichgültigkeit exekutiert und im Keim erstickt. Unsere Hirne funktionieren endlich ohne Ablenkung durch hinderliche Gefühlsregungen. Ein Meilenstein der Evolutionsgeschichte. Niemals waren wir uns näher als jetzt. Wir haben uns von uns selbst befreit! Ja, wir sind frei! Unser Willen ist besiegt, unsere Liebe niedergeschmettert! Alles zerborsten in der Eintönigkeit unserer Tage. Ein Hoch auf die Gleichgültigkeit! Wir sind gerettet! Und jetzt? 

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